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Urteilsanmerkung:

Die Anwendung des § 2 I 4 HausTWG bei Time-Sharing

Die Anwendung des § 2 I 4 HausTWG beim Time-Sharing-Vertrag,
Anmerkung zum Urteil des BGH v. 20.01.1997, II ZR 105/96

 
Rechtsanwalt Dr. Thomas Hildenbrand
(Autorenfassung der Urteilsanmerkung LM H. 6/1997 § 1 HWiG Nr. 29)


1. Problembeschreibung

In seinem vierten Time-Sharing-Urteil befaßt sich der BGH mit einem Time-Sharing-Vertrag in der Ausgestaltung des Genossenschaftsmodells (s. dazu Hildenbrand, Vertragsgestaltung und Verbraucherschutz im Time-Sharing-Vertragsrecht, 1997, S. 121 ff.). Der auf Rückzahlung des geleisteten Vertragspreises klagende Erwerber hatte bei einem unaufgeforderten Besuch eines Vermittlers in seiner Wohnung eine Beitrittserklärung zu der beklagten Genossenschaft unterzeichnet. Als Gegenleistung für die erworbenen Geschäftsanteile erhielt der Kläger das "mit der Mitgliedschaft" verbundene Recht, von der Beklagten gehaltene Ferienappartments innerhalb vertraglich vorgegebener Zeiten zu nutzen. Eine Widerrufsbelehrung enthielt das vom Kläger unterzeichnete Beitrittsformular nicht. Der Kläger widerrief im Prozeß seine Beitrittserklärung.

2. Rechtliche Wertung

a.
Nach seinen ersten Time-Sharing-Urteilen zur Sittenwidrigkeit im Handelsvertretermodell (BGH, NJW 1994, 1344) und zu AGB-Fragen beim Treuhandmodell (BGH, NJW 1995, 2637 mit konträren Anm. von Hildenbrand, NJW 1995, 2967 und Wolf, LM H.1/1996, Bl. 121; tendenziell verbraucherfreundlicher BGH, NJW-RR 1996, 1034) befaßt sich nun der BGH erstmals mit der umstrittenen Frage der Anwendung des HausTWG, inbesonderne der Ausschlußklausel des § 2 I 4 HausTWG auf Time-Sharing-Verträge.

b.
Ausgangspunkt der Prüfung ist die konkrete Vertragsabschlußsituation. Der Kläger war hier von einem Vertreter überraschend in seiner Privatwohnung aufgesucht worden und hatte anläßlich dieses Besuches den Genossenschaftsbeitritt erklärt. Dies entspricht der situationsbedingten Voraussetzung des § 1 I Nr. 1 HausTWG mit der daraus folgenden, im zu entscheidenden Rechtsstreit aber unstreitig unterlassenen Belehrungspflicht des Kunden/Erwerbers über dessen Widerrufsrecht nach §§ 1, 2 I 2 HausTWG. Mit Recht lehnt der BGH allerdings - gegen das Berufungsgericht - die unmittelbare Anwendung des § 1 I Nr. 1 HausTWG auf den in Rede stehenden Fall des Beitritts zu einer Genossenschaft ab. Der Beitritt zu einem Verein oder einer Genossenschaft stellt sich nämlich grundsätzlich nicht als Vertrag über eine entgeltliche Leistung im Sinne dieser Norm dar (Einzelfragen zum Vereinsbeitritt behandelt Löwe, BB 1986, 821 ff.; zur differierenden Rspr. vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1991, 433 und OLG München, ZIP 1995, 1362). Gleichwohl konnte der Kläger in dem zu entscheidenden Fall seine Willenserklärung widerrufen, weil sich die konkrete Ausgestaltung des Gesamtvertrages bei wesenskernreduzierter Betrachtungsweise letztlich doch als bloß entgeltlicher Nutzungsüberlassungsvertrag an einer Ferienwohnung darstellte, der lediglich in das Gewand einer gesellschaftsvertraglichen Form verpackt worden war. Daß diese Konstruktion und die Beschränkung der Nutzungsrechte auf Genossen keine Notwendigkeit darstellt wird vom Senat zu Recht bejaht. Da im konkreten Fall der Erwerbspreises ganz überwiegend auf das Wohnrecht entfiel, handelte es sich um eine den wahren Vertragsinhalt verschleiernde Vertragsgestaltung, die unter Anwendung der Schutzvorschrift des § 5 HausTWG die Pflicht zur Belehrung über das Widerrufsrecht begründet und mangels Belehrung die über die Frist des § 1 I HausTWG hinauswirkende Widerrufsmöglichkeit begründet (s. dazu auch Soergel/Wolf, § 5 HausTWG, Rdnr. 5; für den Bereich des Time-Sharing Hildenbrand, S. 168 ff).

c.
Nachdem der Kläger erst mehrere Jahre nach Abschluß des Vertrages Rückzahlung verlangte und erstmals im Prozeß den Widerruf nach dem HausTWG erklärt hatte, mußte sich der BGH auch mit der bisher höchstrichterlich nicht entschiedenen Frage zum Eintritt der Ausschlußklausel des § 2 I 4 HausTWG im Bereich des Time-Sharing zu befassen. In verbraucherfreundlicher Form folgt der Senat der in Literatur (grundlegend Hildenbrand, NJW 1994, 1992/1995; ders. NJW 1996, 3249/3251 f. mwN) und Rechtsprechung (bspw. LG Hanau, NJW 1995, 1100; LG Frankfurt, VuR 1997, 66; OLG Stuttgart, VuR 1995, 267; speziell für das Genossenschaftsmodell: LG Lüneburg, VuR 1997, 63; OLG Celle, ZIP 1996, 1874) bereits vertretenen Ansicht, wonach zumindest in sämtlichen Fällen des obligatorischen Time-Sharing von einer Erfüllung seitens der - im konkreten Fall beklagten Genossenschaft, in anderen Fällen der - Time-Sharing-Firma erst dann gesprochen werden kann, wenn diese das Ferienobjekt im letzten Vertragsjahr dem Erwerber zur Verfügung gestellt hat. Wegen der im Bereich des Time-Sharing vertragstypischen jährlichen Zahlungspflichten des Erwerbers Instandhaltungskosten, Servicegebühren etc.) konstatiert der BGH aber auch auf Erwerberseite eine vollständige Erbringung der Vertragsleistung erst im letzten Vertragsjahr (so bereits Hildenbrand, S. 185 f.; ders. NJW 1996, 3249/3252, Fußn. 47). Aus beiden Gründen war die vom Kläger im Prozeß erklärte Widerrufserklärung somit rechtzeitig erklärt worden.
3. Praktische Folgen

Durch die Entscheidung wird klargestellt, daß für alle Fälle des obligatorischen Time-Sharing bei Anwendung des HausTWG die Widerrufsmöglichkeit des Erwerbers auch noch lange nach Vertragsschluß und unabhängig von einer zwischenzeitlichen Inanspruchnahme des Ferienobjektes möglich ist. Die Zahlung des Erwerbspreises und die Eintragung in eine "Ferienrolle" o.ä. reichen als Anknüpfungspunkt für die Bejahung der Voraussetzungen des § 2 I 4 HausTWG nicht aus. Der Erwerber muß sich allerdings – dies war in dem besprochenen Fall von den Vorinstanzen offenbar übersehen worden – nach § 3 III HausTWG den Wert für die Gebrauchsüberlassung anrechnen lassen, unabhängig von deren tatsächlicher Inanspruchnahme (s. Hildenbrand, S. 189/190). Als Regelwert wird der durch die Vertragslaufzeit geteilte ursprüngliche Erwerbspreis als Jahreswert anzusetzen sein (so auch LG Lüneburg, VuR 1997, 63/65). Die Aussagen des Urteils gelten auch dann, wenn - wie üblich (s. Hildenbrand, NJW 1996, 3249/3250 mwN) – die (obligatorischen) Time-Sharing-Verträge auf Freizeitveranstaltungen im Sinne des § 1 I Nr. 2 HausTWG abgeschlossen werden. Im Hinblick auf die Neuregelungen im Teilzeit-Wohnrechtegesetz (TzWrG) haben die Urteilsaussagen allerdings nur Geltung auf vor dem 01.01.1997 abgeschlossene Verträge.



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