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Urteilsanmerkung:

Time-Sharing: Klauselkontrolle beim Treuhand-Model

Time-Sharing: Klauselkontrolle beim Treuhand-Modell
(zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 30. 6. 1995, V ZR 184/94, NJW 1995, 2637)
 
Rechtsanwalt Dr. Thomas Hildenbrand
(Aufsatz veröffentlicht in NJW 1995, 2967 f)


I. Einleitung

Der BGH hat in seinem zweiten Time-Sharing-Urteil (1) die Wirksamkeit der Vertragsgestaltung im Treuhand-Modell weitgehend bejaht und dem Kunden lediglich wegen Unwirksamkeit der Erfüllungsklausel einen Anspruch auf Eintragung seines Dauerwohnrechtsanteiles zugebilligt (2). Trotz begrüßenswerter Ansätze überzeugt das gefundene Ergebnis nicht.

II. Vertragskonsens

Der BGH bejaht in dem besprochenen Urteil den Konsens der Parteien. Nach der Vertragsregelung wird jedoch entgegen der Vertragsüberschrift "Kaufvertrag Dauerwohnrecht" dem Kunden kein Dauerwohnrecht nach § 31 WEG verschafft. Vielmehr wird dieser lediglich entsprechend der vertraglichen Erfüllungsklausel in ein bei einem zwischengeschalteten Treuhänder geführtes Register eingetragen, während jener von der Verkäuferin abgeleitet treuhänderisch als Rechtsinhaber des Dauerwohnrechts im Grundbuch eingetragen bleibt (3). Obwohl auch der BGH aufgrund der Auslegung der Vertragsregelungen davon ausgeht, daß der Kunde durch die Formulierung den Erwerb eines dinglichen Dauerwohnrechts erwarten konnte, die Verkäuferin dies aber durch die Gestaltung über den Grundbuchtreuhandvertrag gerade zu vermeiden suchte, verneint der V. Zivilsenat einen versteckten Dissens, weil die Parteien lediglich inhaltlich Verschiedenes gewollt hätten. Diese Argumentation überrascht auf den ersten Blick; auch aus der vom BGH zitierten Entscheidung in NJW 1993, 1798 erfährt der Leser keine Begründung für diese Ansicht. Die Begründung erschließt sich erst aus einem Urteil aus dem Jahre 1961 (4) : Ein versteckter Dissens kann nur dann bejaht werden, wenn die sich äußerlich deckenden Vertragserklärungen im Rechtsverkehr einen mehrdeutigen Sinn haben und jede Partei, ohne Kenntnis der anderen, mit ihrer Erklärung einen anderen Sinn verbindet (5). Abzustellen ist hierbei auf die Sinnbedeutung, die der Erklärung allgemein beigemessen wird; bei lebensnaher Auslegung ist aber unter der Bezeichnung Dauerwohnrecht nicht eine Konstruktion über einen Grundbuchtreuhandvertrag, sondern die eigene grundbuchliche Absicherung durch Eintragung zu verstehen. Trotz des abweichenden Willensinhaltes der Parteien hat der BGH daher zu Recht die Voraussetzungen des versteckten Dissenses verneint.

III. Branchenüblichkeit des Grundbuchtreuhandvertrages?

In seinen weiteren Ausführungen überrascht der BGH allerdings durch seine ausschließliche Auseinandersetzung mit der vertraglichen Erfüllungsklausel. Die Bewertung dieser Klausel als überraschend i. S. des § 3 AGBG begegnet keinen Bedenken. Dankenswert stellt der BGH auch klar, daß bei der Prüfung der Frage des Überraschungsmoments nicht auf das Verständnis eines Fachmanns oder Juristen, sondern auf die Verständnismöglichkeiten des typischen (Time-Sharing-)Durchschnittskunden abzustellen ist. Er erteilt hiermit Tendenzen in der Rechtsprechung eine Absage, die ein Abstellen auf den "intelligenten Verbraucher" apostrophieren (6). Demnach sind die Verständnismöglichkeiten des "Mannes auf der Straße " (7) bei der Prüfung der Überraschungswirkung ebenso wie bei der Transparenzprüfung, zugrunde zu legen. Und diesem gegenüber wird durch die getroffene Regelung der Erwerb eines dinglich gesicherten Dauerwohnrechts suggeriert (8). Dem BGH ist uneingeschränkt darin beizupflichten, daß die im Treuhand-Modell gewählte Konstruktion über den Grundbuchtreuhandvertrag nicht nur branchenunüblich (9), sondern auch unseriös ist, weil der Kunde durch die vertragliche Aufmachung grob irregeführt wird.

IV. Fehlende Auseinandersetzung mit dem Verstoß gegen das
Transparenzgebot

Der vom BGH gezogenen Rechtsfolge kann gleichwohl nicht zugestimmt werden, wenngleich der Senat anerkennt, daß das für Time-Sharing-Modelle in Betracht kommende Rechtsinstitut des Dauerwohnrechts als dingliches Sicherungsmittel jedenfalls dann benutzt werden kann, wenn das Wohnrecht in Wochenanteile aufgeteilt ist und die Kunden entsprechend ihrem Wochenanteil im Grundbuch eingetragen werden (10). Leider läßt der BGH in seiner Urteilsbegründung eine Auseinandersetzung mit der in Rechtsprechung (11) und Literatur (12) diskutierten Frage des Transparenzverstoßes des Gesamtklauselwerks vermissen. Hierzu hätte Anlaß bestanden, weil neben der intransparenten, vom BGH als überraschend eingestuften Regelung (13) u.a. das Vertragswerk im Treuhand-Modell weder die Vertragspartner in klar strukturierter und übersichtlicher Form noch die auf den Kunden zukommenden finanziellen Folgebelastungen übersichtlich ausweist (wobei letztere nur dem Grunde nach in verschiedenen, sich jedoch wechselseitig bedingenden Vertragsformularen niedergelegt sind); durch das der Time-Sharing-Anbieterin vertraglich vorbehaltene Leistungsbestimmungsrecht (14) bei der endgültigen Bezeichnung der dem Wohnrecht unterliegenden Wohneinheit (15) das Korrekturrecht des Kunden nach § 315 III 2 BGB ohne sachlich zwingenden Grund eingeschränkt wird (der Verkäuferin ist es zuzumuten, durch geeignete Maßnahmen, z.B. durch eine Computerstandleitung, sicherzustellen, daß dem Kunden schon bei Vertragsabschluß eine Wohneinheit konkret zugewiesen werden kann).

Bei einer Gesamtbetrachtung des Klauselwerks ist der Ansicht des BGH, die von ihm als überraschend bewertete Erfüllungsklausel lasse die Wirksamkeit des Vertrages nach § 6 1 AGBG im übrigen unberührt, nicht zu folgen. Zu bedenken ist doch, daß es sich bei Time-Sharing-Verträgen um Vertragswerke handelt, die mit dem gesetzlichen Leitbild kodifizierter Vertragstypen nicht vergleichbar sind. Nach meiner Ansicht fehlt es angesichts der Vielzahl intransparenter Regelungen an einem eigenständig existenzfähigen Vertragsrumpf, der unausgesprochenen Voraussetzung des § 6 I AGBG (16). Damit ist von einer Gesamtunwirksamkeit der AGB des Treuhand-Modells nach § 6 1 AGBG auszugehen (17).

V. Sittenwidrigkeit des Treuhand-Modells?

Entgegen der Ansicht des BGH liegt auch der Sittenwidrigkeitseinwand nicht völlig fern. Zu denken ist nämlich an eine Übertragung der Rechtsprechung des ersten Time-Sharing-Urteils (18) auch auf andere Vertragsmodelle. In dem vorgenannten Urteil hatte der BGH für die Prüfung der Voraussetzungen des § 138 1 BGB als Vergleichsobjekt eine Eigentumswohnung befürwortet. Dieses Vergleichsobjekt kann auch bei anderen Vertragsmodellen herangezogen werden, unabhängig von deren Rechtskonstruktion. Bei einer anbieterorientierten Betrachtungsweise macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Verkäufer dem Kunden Eigentum oder nur ein Nutzungsrecht an der Immobilie verschafft. In beiden Fällen wird der Gesamtunterhaltungsaufwand des Objektes auf den Kunden abgewälzt, womit aufwandsbezogen von einer faktischen (Mit)Eigentümerstellung gesprochen werden kann. Die Heranziehung des Vergleiches mit einer Eigentumswohnung ist daher sachgerecht. Der Wert des Time-Sharing-Objektes wird durch die Summe aller von der Time-Sharing-Gesellschaft erzielten Verkaufspreise des Einzelobjektes ermittelt. Dieser Betrag ist dann dem Wert einer nach Lage und Größe vergleichbaren Eigentumswohnung gegenüberzustellen. Soweit erforderlich, sind jedoch für Ausstattungs- oder Zusatzleistungen bei Time-Sharing-Objekten Abschläge vorzunehmen, um die Vergleichbarkeit mit einer gewöhnlich unmöbliert veräußerten Eigentumswohnung zu gewährleisten.

Vl. Anfechtungsrecht des Kunden?

Vom BGH nicht angesprochen wird darüber hinaus die Frage der Anfechtbarkeit des Vertrages. Die Vorinstanzen hatten die Möglichkeit der Anfechtung nach § 123 BGB erörtert, dies aber letztlich abgelehnt, weil der Kläger nach Einstellung ihres eigenen Objekts in die Tauschorganisation eine von dieser vermittelte Reise nach Aruba durchgeführt und hierdurch den Vertrag nach § 144 I BGB bestätigt hätten. Es muß jedoch festgehalten werden, daß die Vertragsanfechtung nach § 123 BGB innerhalb der Frist des § 124 BGB im Falle falscher Angaben durch die Verkaufsmitarbeiter durchaus in Betracht kommt (19). Möglich erscheint aber auch eine Anfechtung nach § 119 1 BGB wegen Inhaltsirrtums (20) im Rahmen des § 121 BGB, da der Kunde durch die gewählte Vertragskonstruktion über den Inhalt des erworbenen Rechts getäuscht wird. Bei dieser Anfechtung entfällt dann nach § 122 11 BGB die Schadensersatzpflicht des Kunden.

VII. Fazit

Das besprochene Urteil hat die Rechtsfragen zum Treuhand-Modell weder abschließend noch befriedigend geklärt. Vergeblich sucht der Leser auch nach Hinweisen zur Frage der Anwendbarkeit des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes (21). Offenbar hatten die Parteien dieses Rechtsproblem nicht in den Prozeß eingeführt. Die juristische Auseinandersetzung über das Time-Sharing darf also getrost weitergehen.

Fußnoten:

1) Im ersten Time-Sharing-Urteil des BGH (BGHZ 125, 218 = NJW 1994, 1344) stand das Handelsvertreter-Modell zur Prüfung; zur Terminologie vgl. Hildenbrand, NJW 1994, 1992 ff.
2) Vgl. BGH, NJW 1995,2637.
3) Vgl. näher Hildenbrand, NJW 1994, 1992 (1993).
4) BGH, NJW 1961, 1668 (1669).
5) Vgl. BGH, NJW 1961, 1668 (1669).
6) OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 16@ 3. 1995 12 U 94/94 (unveröff., nicht rechtskr.) für das Treuhand-Modell.
7) Vgl. v. Hoyningen/Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, 1991, Rdnr. 200.
8) So ausdr. OLG Jena, OLG-Report 1995, 65 Century; LG Hamburg, Urt. v. 31. 1. 1995 301 0 20/94 u. Urt. v. 29. 6. 1993 325 0 105/93 (beide unveröff., n. rk.); KG, KG-Report 1994, 157 (aufgehoben durch die besprochene Entscheidung).
9) Mit einer derartigen Begründung hatten verschiedentlich Instanzgerichte die Wirksamkeit der Regelung begründet. So LG Berlin, Urt. v. 23. 3. 1993 15 0 1188/92 (unveröff., Ausgangsinstanz zur besprochenen Entscheidung).
10) Die Konstruktion über eigenständige, gleichrangige Dauerwohnrechte bleibt damit für den Bereich des TimeSharing streitig.
11) Einen Transparenzverstoß bejahen: LGKöln, NJW-RR 1992,1333 (1334) = VersR 1992, 94 m. Anm. Jaeger; LG Hamburg (o. Fußn. 8); OLG Köln, NJW 1994, 59 (Vorinstanz LG Köln, BB 1993, 1975); KG, KG-Report 1994, 157 (aufgehoben durch die besprochene Entscheidung); OLG Jena, OLG-Report 1995, 65; vgl. auch LG Hanau, Urt. v. 27. 1. 1995 2 S 339/94 (unveröff., rechtskr.) u. AG Hamburg, VuR 1994, 346 (die beiden letztgenannten zum Vereins-Modell). Einen Transparenzverstoß verneinen: AG Hamburg, VuR 1994, 19 (23f.); LG Hamburg, Urt. v. 2. 12.1993 321 0 238/93 (unveröff.); OLG Frankfurt a. M. (o. Fußn. 6); OLG Hamburg, Beschl. v. 28. 5. 1991 6 0 100/91 (unveröff., rechtskr).
12) Hildenbrand, NJW 1994, 1992 (1993f.); Jaeger, VersR 1992, 95; Jäckel-Hutmacher-Tonner, VuR 1994, 9 (11 f.); vgl. auch Wolf-Horn-Lindacher, AGBG, 3. Aufl. (1 994), § 9 Rdnrn. T 13 f.
13) Auch überraschende Klauseln können als intransparent eingestuft werden, vgl. v. Hoyningen/Huene (o. Fußn. 7), Rdnr. 201.
14) Vgl. zur Zulässigkeit von Leistungsbestimmungsklauseln in AGB nur Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 9 AGBG Rdnr. 106.
15) So kann der Kunde bei Vertragsschluß lediglich die gewünschte Saison und die Wochenanzahl angeben. Die endgültige Bezeichnung der Wohneinheit und die Vergabe der genauen Kalenderwochen innerhalb der beantragten Saison ist der Verkäuferin vorbehalten.
16) Vgl. hierzu Wolf-Horn-Lindacher (o. Fußn. 12), § 6 Rdnr. 10; Ulmer-Brandner-Hensen, AGBG, 7. Aufl. (1993), § 6 Rdnr. 10.
17) Nach Ansicht der den Transparenzverstoß bejahenden Gerichte (vgl. die Angaben o. Fußn. 11) ergibt sich die Gesamtnichtigkeit aus § 6 III AGBG.
18) BGHZ 125, 218 = NJW 1994, 1344 (1347).
19)Vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 686: Anfechtungsrecht des Kunden bei Täuschung über den Qualitätsstandard der Anlage ("3 Sterne" statt "5 Sterne").
20) Zum Irrtum über den Geschäftsgegenstand vgl. Palandt/Heinrichs (o. Fußn. 14), § 119 Rdnr. 14 m.w.Nachw.
21) Vgl. hierzu Hildenbrand, NJW 1994, 1992 (1994). Aus der Rechtsprechung beispielhaft: LG Hanau, NJW 1995, 1100 (1101); AG Hamburg-Altona, VuR 1994; AG Köln, NJW-RR 1995, 502 (503); LG Berlin, VuR 1994, 32; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1533; KG, NJW-RR 1994, 951.


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